Minderheiten
Was bedeutete die Republik Kurdistan den einheimischen Juden?
„Wir haben uns in der Kurdischen Republik zum ersten Mal nicht als Menschen zweiter Klasse gefühlt, sondern als gleichberechtigte Bürger. Und das werden wir ihm nie vergessen.“
Diese Worte teilten Juden in Mahabad der Gattin Qazi Mohammeds nach seiner Festnahme mit.
Während der Republik Kurdistan erhielten die Minderheiten ohne jede Einschränkung volle Freiheit. Die Juden erhielten zum Ersten mal in ihrer Geschichte im Iran Autonomie und waren in verschiedenen Gremien der Regierung der kurdischen Republik vertreten. Diese Haltung hat die jüdische Gemeinde Kurdistans auch nicht so schnell vergessen.
So erzählt Ali Qazi, Sohn Qazi Mohammeds:
"Die Minderheiten, die in Kurdistan lebten, es waren hauptsächlich Juden, haben volle Autonomie bekommen. Sie haben eigene Schulen gehabt, sie durften ihre eigene Sprache lernen, sie haben bei der Regierung Vertreter gehabt und sie waren überall anwesend. Sie wurden als eine Volksminderheit bzw. eine Religionsminderheit anerkannt."¹
„Als mein Vater bereits verhaftet war und vor ein Militärgericht gestellt werden sollte, wurde ihm ein persischer Pflichtverteidiger gestellt, ein Hauptmann namens Sharifi. Dieser Hauptmann tauchte bei meiner Mutter auf und eröffnete ihr: „Wenn ich ein ordentliches Honorar bekomme, dann werde ich Ihren Mann ordentlich verteidigen. Meine Honorarvorstellung ist 15.000 Toman.“ 15.000 waren damals ein Vermögen. Da die Familie kein Bargeld mehr besaß, nahm meine Mutter ihren Schmuck zusammen und wollte ihn bei einem reichen jüdischen Kaufmann versetzen.
Im jüdischen Viertel fragte sie einen Passanten nach dem Weg zum Haus dieses Kaufmanns. Sie wurde sofort erkannt und der ihr wildfremde Mann schlug ihr vor: „Komm zuerst zu uns nach Hause, trink einen Tee, dann bringe ich dich zum Haus des Kaufmanns.“ Dieser Passant stellte sich ebenfalls als Geschäftsmann heraus. Er schickte sofort einen Boten, um seinen Bruder und Partner, der sich gerade nach Täbris aufmachen wollte, von der Busstation zurückzuholen. Und kurz darauf war der Bruder da.
Nachdem man den unverzichtbaren Tee getrunken hatte, kam man ins Gespräch. Die beiden wollten von Qazi Mohammeds Frau wissen, warum sie den reichen jüdischen Kaufmann aufsuchen wollte. Vielleicht vermuteten sie schon den Grund und meinten: „Vielleicht können wir dir auch helfen.“ Als sie ihre Vermutung bestätigt fanden, boten sie selbst ihre Hilfe an, übergaben meiner Mutter ohne Weiteres die benötigten 15.000 Toman. Meine Mutter wollte im Gegenzug ihren Schmuck überreichen, aber das wurde abgelehnt. „Nein, nein.“, beteuerten die beiden Juden. „Wir wollen deinen Schmuck nicht, wir wollen dir helfen. Wenn du eines Tages mal in der Lage bist, das Geld zurückzugeben, ist es uns recht. Und wenn nicht, dann nimm das Geld als unsere Hilfe. Wir werden niemals vergessen, was er in seiner Regierungszeit für uns getan hat. Wir haben uns in der Kurdischen Republik zum ersten Mal nicht als Menschen zweiter Klasse gefühlt, sondern als gleichberechtigte Bürger. Und das werden wir ihm nie vergessen.“ ²
Parallel zu den Entwicklungen in Kurdistan entstand am 12. Dezember 1945, ebenfalls durch sowjetischen Rückhalt, in der nordöstlichen Provinz unter der Führung des Altkommunisten Pishevari die Autonome Republik Aserbaidschan. Der Forderung, man solle sich dieser Republik als Teilautonomie unterordnen, ging Qazi Mohammed nicht nach, mit der Begründung, man wolle seinen Besatzer nicht wechseln, sondern sich unabhängig machen.
„In der Republik Aserbaidschan hat man das sowjetische System eingeführt und sie haben die Regeln der SU übernommen. Sie haben den Besitz aller Fabrikanten, der Leute, die Vermögen hatten, beschlagnahmt, übernommen und verstaatlicht. Es kamen viele Leute ins Gefängnis.
Qazi Mohammed war ein traditioneller kurdischer Führer, weder ein Freund der Errichtung der „Diktatur des Proletariats“ noch für einen „Gottestaat“ in Kurdistan. Qazi Mohammed war ideologiefrei. Er war liberal, obwohl er ein sehr gläubiger muslimischer Geistlicher war. Es herrschte in seiner Republik Frieden und es gab keine inneren Kämpfe, sodass viele Aserbaidschaner nach Kurdistan auswandern wollten.
Seine Witwe erinnerte sich: „Der Staatspräsident von Aserbaidschan hat während seiner Herrschaft viele Leute getötet. Die Aserbaidschaner waren so wütend auf ihn, dass sie oft sagten: „Wir wollen nach Kurdistan kommen und kurdistanische Bürger werden.“ Sie haben gesagt: „Wir wollen unter der kurdistanischen Fahne leben. Wir wollen nicht mehr in Tabriz leben“.“ ³
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¹ : Deutsches Kulturzentrum Kurdistan Irak, 22.03.2012
² : Die Kurden - Waisenkinder des Universums, Ali Homam Ghazi, 1994
³ : Die Kurdische Zeitschrift "Nishtiman", Kurdbun, 2008, von Jemal Nebez
Sozialpolitik
Zwei Beschlüsse der Republik Kurdistan im Bereich der Sozialpolitik:
1. Alle Kinder hatten das Recht auf Bildung. Die reichen und wohlhabenden Familien mussten die Kosten für die Schulausbildung der Waisenkinder und der Kinder aus sehr ärmlichen Verhältnissen, die den Familien als Pflegekinder zugeteilt wurden, übernehmen.
2. Es wurden auf Kosten der Republik für alle Schulkinder Uniformen angeschafft, um das soziale Gefälle weniger deutlich zu machen.
So heißt es auf der Rückseite eines der beiden Fotos (siehe unten):
„Zur Eröffnung der kurdischen Schulen wurde ich von der PDK beauftragt, alle armen und arbeitenden Kinder einzusammeln und an die Stadtverwaltung zu übergeben. Datum: 5. April 1946“
- Hussein Fruher (Einer der Mitgründer von Je-Kaf, später „PDK“)