Das Vermächtnis

Kurz vor seiner Hinrichtung hinterließ Peshewa Qazi Mohammed dem kurdischen Volk ein Vermächtnis:

"Im Namen Gottes, des Großen und des Gnädigen, 

Hier nun, mein kurdisches Volk und meine geehrten Geschwister, meine wehrlosen Geschwister, die um ihr Recht und ihr Gut betrogen, denen Unterdrückung widerfahren ist, stehe ich am Ende meines Lebens und bitte euch im Namen Gottes keine Feindschaften gegeneinander zu hegen und euch gegenseitig den Rücken zu stärken. 

Schreitet hinaus wider dem grausamen und unbarmherzigen Feind und ergibt euch nicht kampflos! Denn genau diese Hoffnung hegt der Feind und der Feind wird sich eurer annehmen, wenn es in seinem Interesse liegt, aber nach getaner Arbeit kein Mitleid mit euch haben und euch niemals verzeihen. 

Zahlreich sind die grausamen und unmenschlichen Feinde der Kurden! Ein Zeichen des Sieges eines jeden Volkes und jeder Nation ist der Zusammenhalt, die Einheit und die Solidarität. 

Jedes Volk ohne Einheit und Widerstand wird der Hand des Feindes nicht permanent entweichen können.. Dein Anliegen, kurdisches Volk, ist nicht weniger wert als jenes der anderen Völker auf dieser Erde und ihr seid sogar bereits durch euren Mut, eure Tapferkeit und eure Fähigkeit freien Völkern voraus. 

Alle Völker, die sich aus den Fesseln ihrer Unterdrücker befreiten, glichen euch, aber sie bildeten eine Einheit für diese Freiheit. Lasst auch ihr euch daher gleich allen Völkern dieser Erde nicht weiter unterdrücken. Wenn ihr zu einer Einheit wachst, euch nicht beneidet, euch nicht an den Feind verkauft, werdet auch ihr frei sein. Meine Geschwister, lasst euch nicht weiter vom Feind betrügen, denn von welcher Nation und Gruppierung die Feinde auch immer sind, sie verbleiben unsere Feinde, sie sind erbarmungslos, gewissenlos und werden kein Mitleid mit euch haben. Sie werden euch untereinander zu Feinden machen, mit Lügen und mit Geld werden sie euch gegeneinander aufhetzen. Unter den Feinden der Kurden ist der Grausamste, der Verfluchteste, der Gottloseste und der Hartherzigste der Perser. Der Iran wird vor keiner Untat wider den Kurden zurückschrecken und war seit historischen Zeiten der Feind der Kurden, und verspürte Hass und verspürt diesen Hass fortdauernd. Sie haben Ismail Aga (Simko), seinen Bruder Cevher Aga, Hamza Aga aus Mengur [Region im Iran] und viele andere auf den Koran schwörend betrogen und bestialisch ermordet. Diese waren der Naivität ergeben, dass sie von den Persern, weil sie auf den Koran schworen, gut behandelt werden würden. 

Seit man auf die Geschichte zurückblicken kann, hat niemand gesehen, dass die Perser ihr Wort und ihre Versprechen gegenüber den Kurden gehalten hätten. Als euer kleiner Bruder rate ich euch mit Gottes Gnaden um gegenseitigen Beistand und Unterstützung untereinander. Seid sicher, dass die Perser, wenn sie euch Honig vorlegen, darin Gift gemischt haben. Fallt nicht auf die verlogenen Versprechen und Worte der Perser herein, selbst wenn sie tausend Mal die Hand auf den Koran legen und versprechen, denn sie werden euch (stets) anlügen und betrügen wollen! 

Ich lebe die letzten Stunden meines Lebens. Ich trage euch vor, dass ich alles in meiner Macht stehende getan habe, um euch den richtigen Weg zu zeigen, ich habe mit Leben und Kopf Widerstand geleistet, habe unnachgiebig agiert. Nun ermahne ich euch, nicht weiter an die Perser zu glauben, nicht an ihre Worte, die sie mit der Hand auf den Koran schwören. Ich warne euch um Gottes Willen vor den betrügerischen Versprechen. Denn sie glauben weder an Gott, weder an den Propheten (saw), weder an das jüngste Gericht, noch an die Rechenschaft vor Gott. In deren Weltbild seid ihr, selbst wenn ihr Muslime seid, schuldig, weil ihr Kurden seid, denn ihr seid ihre Feinde und (damit) wollen sie über euer Eigentum verfügen. 

Mein gegebenes Versprechen war nicht eure Übergabe in die Hände des herzlosen Feindes und eine anschließende Flucht von mir. Ich habe an unsere Geschichte gedacht, an unsere großen Vorfahren, die durch die Versprechen und Lügen der Perser gefangen und ermordet wurden. Sie bewegten sich fortwährend in meinem Kopf und daher vertraute ich den Persern nie. Aber bevor sie hierher (nach Mahabad) zurückkehrten, haben sie mittels Briefen, über angesehene Kurden und Persern als Botschafter, versprochen, dass der iranische Staat, der Schah, keine bösen Absichten hege und gelobten keinen Tropfen Blut in Kurdistan zu vergießen. Nun erkennt ihr selbst mit eigenen Augen das Resultat ihrer Versprechen. Wenn es den Verrat der Stammesführer nicht gegeben, diese sich nicht an die iranische Regierung verkauft hätten, wäre dieses Unglück uns und unserer Republik sicherlich erspart geblieben. 

Mein Ratschlag und mein Vermächtnis an euch ist dieses: Bildet eure Kinder weiter. Bis auf die Bildung haben wir keine Mangel gegenüber anderen Völkern. Um der Karawane der Völker in keiner Hinsicht nachzustehen, bildet euch weiter, denn Bildung ist die effektivste Waffe gegen den Feind. 

Seid sicher, wisst, dass ihr den Sieg gegen den Feind erringen werdet, wenn eure Eintracht, eure Einheit und eure Bildung gut ist. Lasst euch nicht davon abschrecken, dass ich, meine Brüder und die Söhne meiner Onkel ermordet werden. Es werden noch viele wie wir auf diesem Wege sterben, bis wir unser Ziel erreicht haben. Seid sicher, dass auch nach uns noch andere heuchlerisch belogen und aus dem Weg geräumt werden. 

Seid sicher, dass nach uns viele andere, selbst wenn sie begabter und und sich der Probleme bewusster sind als wir, in die Falle der Iraner tappen werden. Aber lasst uns hoffen, dass unser Tod den leidgeprüften Kurden ein Beispiel sein wird. 

Ein weiteres Vermächtnis an euch ist dieses: Strebt nach der Zufriedenheit und dem Wohl des Volkes. Wenn das Volk euer Helfer wird, so werdet ihr, da bin ich mir sicher, mit Gottes Unterstützung den Erfolg erreichen. „Warum hast du nicht den Erfolg errungen?“ könntet ihr (nun mich) fragen. Als Antwort gebe ich, „Ich war erfolgreich. Ich gebe mein Leben für mein Volk und meine Heimat. Gibt es einen größeren Erfolg und Segen als diesen?“ Glaubt mir, dass ich ständig einen Tod wünschte, der sich Gottes, seines Propheten, meines Volkes und meiner Heimat Frieden geziemt. Darin liegt für mich ein Erfolg. 

Meine Lieben, Kurdistan ist das Haus aller Kurden. In jedem Haus wird dem Bewohner des Hauses jene Arbeit gegeben, die er vollbringen kann. Es gibt kein Recht mehr darauf andere zu beneiden. Auch Kurdistan ist solch ein Haus. Wenn ihr wisst, dass jemand in diesem Haus arbeiten kann, so lasst ihn darin arbeiten! 

Diesem dürfen nicht weiter Steine in den Weg gelegt werden. Es darf kein Trauer mehr darüber geben, wenn einer von euch große Verantwortung auf seine Schultern gelegt bekommt, dass große Mühe vor ihm liegt, wenn er sich daran macht diese Aufgabe zu meistern und der Verantwortung gerecht zu werden versucht. Glaubt mir, dass jeder eurer kurdischen Brüder besser ist als jeder eurer hasserfüllten Feinde. Wenn keine große Verantwortung meine Schultern belastete, würde ich heute nicht unter dem Galgen sterben. Seid nicht gierig gegeneinander. Die unsere Befehle nicht befolgten, haben nicht einfach nur unsere Befehle nicht befolgt, sondern begegneten uns gar wie ein Feind. Diese liegen nun unter ihren Kindern im Tiefschlaf. Wir, weil wir uns als Diener des Volkes begriffen, weil wir dem Volk dienten, werden unter dem Galgen landen und ich verbringe meine letzte Stunde mit dem Schreiben meines Vermächtnisses. Wenn ich keine große Verantwortung auf den Schultern trüge, wäre auch ich nun unter meinen Kindern in einem Tiefschlaf versunken. Ich bin sicher, dass jedweder von euch, der meine Verantwortung trüge, nun unter dem Galgen gehangen hätte. Um Gottes Gnade zu erlangen, als Kurde, der Diener seines Volkes ist, anbei einige Ratschläge, um der Verantwortung auf meinen Schultern gerecht zu werden. Lasst uns hoffen, dass sie wir nun daraus lernen und ihr meine Ratschläge befolgt. Möget ihr mit Gottes Unterstützung den Sieg gegen den Feind erringen. 

1- Glaubt an Gott, den Dingen, die von Ihm sind, Seinem Schutz und dem Propheten (saw - Gott segne ihn) und seid stark in Ausführung der Pflichten der Religion. 

2- Verteidigt die Einheit und Achtung untereinander, behandelt einander nicht schlecht und seid hinsichtlich Verantwortung und Dienstbereitschaft nicht habgierig. 

3- Bildet euch in Wissen und in der Wissenschaft und im Rang der Wissenden weiter, damit euch der Feind weniger betrügen kann. 

4- Schenkt den Feinden keinen Glauben, auch ohne Beschaffenheit bleibt (selbst) der unerfahrene Feind, wie sehr auch unerfahren, euer Feind, der Feind eures Volkes, eurer Heimat und eurer Religion. Die Geschichte hat bewiesen, dass sie gegen Kurden stets nach Schwindel trachteten. Bereits bei kleinsten Delikten haben sie Kurden ermordet, und machten keinen Halt, um gegen Kurden vorzugehen. 

5- Verkauft für einige wertlose Tage nicht eure Religion an die Feinde, da der Unterdrücker der Feind bleibt und es keinen Platz für jedwedes Vertrauen gibt. 

6 - Begeht keinen Verrat gegeneinander, weder in der Politik, im Leben und in der Gemeinschaft noch in der Ehre, da der Verräter vor Gott und vor der Menschheit gering und schuldig ist und der Verrat den Verräter heimsucht. 

7- Sei unter euch einer, der seine Arbeit ohne Verrat verrichtet, so unterstützt diesen, wendet euch nicht in Neid und Niederträchtigkeit gegen ihn oder betrachtet ihn - Gott behüte - als fremden Spion. 

8- Hofft gemeinsam, dass auf jenen Plätzen, welche ich in diesem Testament der Moschee, dem Krankenhaus und der Schule widme, diese errichten werden und erkennt die Vorteile darin. 

9- Ermüdet nicht in Mühe, Anstrengung und Widerstand, damit ihr gleich allen anderen Völkern den Händen der Feinde entkommt; materielle Güter sind nichts (wert), denn habt ihr eure Heimat und eure Freiheit, so habt ihr alles, sei es ein Haus, ein Reichtum, ein Staat, die Ehre oder eine Nation. 

10- Ich bezweifle, dass bis auf Gottes Anspruch jedweder Anspruch gegen mich besteht, aber stehe ich dennoch geringfügig oder in großem Ausmaß in jemandes Schuld, so soll dieser in meinem hinterlassenen Haus nach meinem Besitz fordern und es nehmen. 

Sofern ihr euch nicht gegenseitig unterstützt, werdet ihr auch nicht erfolgreich werden. Seid nicht grausam zu einander. Denn Gott entledigt sich der Grausamen zügig. Unterdrückung wird verschwinden, denn so lautet das Gesetz Gottes. Gott wird die Grausamen bestrafen. 

Ich hoffe, dass ihr diese Worte aufnimmt. Möge Gott euch gegen eure Feinde den Sieg bringen, und zu letzt wie es (Seyfi) Sadi verfügte: 

Wir haben den Ratschlag als Vorhaben erfüllt,
Wir haben euch an Gott verwiesen und gehen nun dahin, 

der Diener des Volkes und seiner Nation, 

Qazi Mohammed."